Was Glück eigentlich ist, darüber gehen die Meinungen ja weit auseinander. Insofern ist es für Sozialforscher nicht ganz einfach, das individuelle Wohlbefinden objektiv zu messen. Und wer gebeten wird, im Rahmen einer Studie den Psychologen drei Mal täglich per Handy mitzuteilen, wie er sich auf einer Skala von "sehr schlecht" bis "sehr gut" gerade fühle, wird vermutlich Verdacht schöpfen, insgeheim an einer Satire-Sendung teilzunehmen. Wie auch immer: Der US-Experte Daniel Kahnemann hatte 2010 eine viel beachtete Untersuchung vorgelegt, wonach die "Glückskurve" von Menschen je nach Ausgangslage zwischen einem Jahreseinkommen von 60.000 und 90.000 US-Dollar "abflache". Wer also mehr verdiene, werde dadurch nur unwesentlich glücklicher, hieß es damals.
"Deckeneffekt" jenseits von 500.000 US-Dollar?
Tatsächlich gebe es diesen Effekt, bestätigte jetzt der Psychologe Mattew A. Killingsworth in einer Studie, die Anfang März von der National Academy of Sciences veröffentlicht wurde. Allerdings fühlten sich nur "unzufriedene" und ärmere Personen, die "Kummer" hätten, trauerten oder unter Depressionen litten, jenseits von 90.000 US-Dollar nicht mehr nennenswert glücklicher. Alle anderen, und das ist eine neue Erkenntnis, schätzen demnach durchaus noch mehr Geld.
Die "glücklichsten" Menschen würden ab 100.000 US-Dollar Haushaltseinkommen sogar "beschleunigt" immer zufriedener, je mehr Geld sie zur Verfügung hätten. Der "Deckeneffekt", wonach das Glücksempfinden ab einer bestimmten Summe nicht weiter steigt, stelle sich womöglich erst ab 500.000 US-Dollar ein, aber auch das sei nicht ausgemacht, denn in der Stichprobe für die neue Studie verdienten nur 1,2 Prozent der Befragten noch mehr.
"Leicht, aber systematisch"
Übrigens schrieb Killingsworth, die Erhebung habe ihn selbst "glücklich" gemacht, weil er ältere Ergebnisse durchaus bestätigen konnte, wenn auch mit Einschränkungen. "Der [bisher angenommene] Trend kehrt sich bei höheren Einkommen um, wonach sehr glückliche Menschen viel mehr von mehr Geld profitieren als unglückliche Menschen", fasste der Psychologe seine Auswertung zusammen. Die Glücksverteilung steige mit dem Einkommen "leicht, aber systematisch".
Dagegen argumentieren die Experten Robert Waldinger und Marc Schulz von der Harvard-Universität in einem neuen Buch ("The Good Life"), ihren Forschungsergebnissen zufolge gebe es jenseits von etwa 75.000 US-Dollar Haushaltseinkommen keinen messbaren Zusammenhang zwischen Glück und Reichtum. Wichtiger sei es vielmehr, Geld nur als Mittel, niemals als Zweck zu begreifen, wie es schon der griechische Philosoph Aristoteles anregte: "Geld kann uns kein Glück kaufen, aber es ist ein Werkzeug, das uns Sicherheit und ein Gefühl der Kontrolle über unser Leben geben kann. Insgesamt dreht sich das Leben wirklich um unsere Beziehungen zu anderen. Die sind es, die uns glücklich machen", so Psychologie-Professor Schulz, der in Anspruch nimmt, die weltweit am langfristigsten angelegte Studie zum Thema betreut zu haben.
Urlaub oder Abendessen
Schulz empfiehlt allen, sich regelmäßig selbst die Frage zu stellen, ob sie mit ihrem Leben zufrieden sind: "Anstatt ein größeres Haus oder ein schöneres Auto zu kaufen, wird Ihnen Ihr Geld eine bessere Glücks-Rendite bringen, wenn sie es verwenden, um Erfahrungen mit anderen zu teilen." Das könnte ein gemeinsamer Urlaub sein oder auch ein Abendessen. Die "Anhäufung" von Kaufobjekten sei es jedenfalls nicht. Wichtig sei es darüber hinaus, bereits in jüngeren Jahren über das Leben im Ruhestand nachzudenken und Bekanntschaften außerhalb der Arbeitswelt nicht zu vernachlässigen. Freilich sei es auch wichtig, mit Kollegen gut auszukommen, schließlich verbringe jeder viel Zeit mit ihnen.
"Lottogewinner dauerhaft glücklicher"
Dass Geld das Wohlbefinden verbessert, ergab auch eine ebenfalls von National Academy of Sciences veröffentlichten Studie, bei der 200 internationale Testpersonen jeweils 10.000 US-Dollar PayPal-Guthaben geschenkt bekamen. Die Gesamtsumme war von zwei reichen Gönnern gespendet worden. Nicht gerade originell ist das Ergebnis, dass die Beschenkten durchweg "glücklicher" waren als 100 nicht bedachte Vergleichspersonen, überraschend jedoch war das Resultat, dass sich die Beschenkten auch noch sechs Monate danach "glücklicher" empfanden. Diejenigen, die mehr als 123.000 US-Dollar im Jahr verdienten, sollen durch das Geldgeschenk übrigens nicht glücklicher geworden sein.
Die Studie wurde in ärmeren Ländern wie Brasilien und Kenia, aber auch in Industrienationen wie Kanada und Großbritannien durchgeführt. "In manchen Weltgegenden kannst du mit 10.000 Dollars echt viel erreichen", so Ryan Dwyer, einer der Autoren der Studie. Er nannte als Beispiele die Abzahlung von Immobilienkrediten oder größere Renovierungen. Seinen Erkenntnissen zufolge, so Dwyer, seien Lotteriegewinner auch noch "viele, viele Jahre" nach ihrem Erfolg glücklicher als andere.
"Selbstbejahung führt zum Glück"
Der deutsche Philosoph Gerhard Hofweber fasste seine Erfahrungen zum Thema für das "Manager Magazin" 2010 mal so zusammen: "Geld befreit uns von äußerlichen Zwängen und das ist angenehm und wichtig. Aber die Freiheit von etwas reicht nicht aus. Wir müssen uns auch eine Antwort auf die Frage geben können, wofür wir frei sind. Für sich selbst frei zu werden und sich damit selbst zu bejahen führt uns zum Glück."
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Author: Linda Wilson
Last Updated: 1703871721
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